Funktion und Betriebsweisen von Call und Contact Centern
Als „Call Center“ bezeichnet man Betriebe oder Betriebsteile,
die auf die telefonische Durchführung von standardisierten
Kommunikationsaufgaben spezialisiert sind. Durch die Spezialisierung und
Standardisierung können diese Aufgaben wirtschaftlich effizient ausgeführt
werden. Im privaten Sektor werden Call Center insbesondere zur Kundenbetreuung
eingesetzt, etwa im Handel, bei Banken oder Versicherungen. Reagiert das Call Center
auf von außen eingehende Anrufe, so spricht man vom so genannten
„Inbound-Betrieb“. Im so genannten „Outbound-Betrieb“ werden die Anrufe dagegen
im Call Center initiiert, zum Beispiel für Meinungsumfragen oder beim telefonischen
Vertrieb. Werden neben dem Telefon auch weitere Kommunikationskanäle genutzt,
zum Beispiel E-Mail oder Fax, so handelt es sich um ein Contact Center.
Eingesetzte Ressourcen
Als „Agenten“ bezeichnet man jene Personen, die unmittelbar die
Telefongespräche führen. Sie stellen die wirtschaftlich wichtigste Ressource
beim Betrieb von Call Centern dar. Daneben wird die quantitative und
qualitative Kapazität des Call Centers durch die Anzahl der Telefonleitungen
sowie durch die spezialisierte Telefonanlage mit ihrer Fähigkeit zur automatischen
Anrufverteilung (Automatic Call Distribution, ACD) bestimmt. Zur effizienten
Abwicklung der Geschäftsprozesse im Call Center wird über die so genannte
Computer Telefonie Integration (CTI) die Telefonanlage mit denjenigen
Computersystemen verknüpft, welche diese Geschäftsprozesse in Call Centern unterstützen.
Gesetzmäßigkeiten und Betriebswirtschaftliche
Planungsprobleme
Inbound-Betrieb
Im Inbound-Betrieb sieht sich ein Call Center regelmäßig einem
dynamischen und stochastischen Anrufeingang ausgesetzt. Sowohl die Dauer der
Anrufe als auch die Zwischenankunftszeiten der Anrufe wirken aus Sicht des Call
Centers zufällig. Darüber hinaus schwankt die Rate der eingehenden Anrufe je
Zeiteinheit typischerweise im Tages- und Wochenverlauf. Aus
betriebswirtschaftlicher Sicht folgt daraus das Problem, die personelle
Kapazität möglichst präzise an den Kapazitätsbedarf anzupassen. Dann ist es
möglich, insbesondere bei mittleren und großen Call Centern, gleichzeitig eine
hohe Erreichbarkeit des Call Centers, geringe Wartezeiten und eine hohe Auslastung
der Agenten zu erreichen. Dies setzt allerdings eine präzise Prognose des
Anrufeingangs mit spezialisierten Prognosemodellen [Helber, Stolletz 2004a, S.
156 f] voraus. Durch elementare Modelle der Warteschlangentheorie kann man
zeigen, dass ein wirtschaftlicher Betrieb sehr kleiner Call Center nur schwer
zu erreichen ist [Helber, Stolletz 2004a, S. 73 f]. Zur Steuerung des
Personaleinsatzes werden so genannte Workforce-Management-Systeme eingesetzt,
die regelmäßig die folgenden vier Schritte durchführen [Helber, Stolletz
2004b]:
1.
Prognose das Anrufaufkommens je Zeitabschnitt
2.
Ermittlung der erforderlichen Zahl von Agenten je
Zeitabschnitt
3.
Einplanung der erforderlichen Anzahl von Schichten zur
Abdeckung der erforderlichen Anzahl von Agenten je Zeitabschnitt
4.
Zuordnung der Agenten zu den eingeplanten Schichten
Die dazu eingesetzten Methoden sind als sehr einfach zu
bezeichnen und führen zu Lösungen, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht
häufig suboptimal sind.
Outbound-Betrieb
Im Outbound-Betrieb hängt die Erreichbarkeit und
Gesprächswilligkeit der Adressaten des Anrufes von deren spezifischen
Merkmalen, dem Wochentag und der Tageszeit ab. Call Center, die auf den
Outbound-Betrieb spezialisiert sind, arbeiten regelmäßig so genannte Kampagnen
ab, in deren Rahmen ein vorgegebener Bestand von Adressaten kontaktiert werden
soll. Hier stellt sich die Aufgabe, die Agenten zeitlich so den einzelnen
Kampagnen zuzuordnen, dass die unterschiedliche Erreichbarkeit der einzelnen
Adressatengruppen möglichst gut berücksichtigt wird. Auch dies gelingt in größeren
Call Centern tendenziell besser als kleineren und begründet zum Teil die
Größenvorteile großer Call Center.
Gemischter Betrieb
Im gemischten Betrieb wechselt zumindest ein Teil der Agenten
im Zeitablauf zwischen dem Inbound-Betrieb und dem Outbound-Betrieb hin und
her. In Zeiten geringeren Anrufaufkommens telefoniert ein Teil der Agenten im
Outbound-Betrieb oder beantwortet E-Mails, die zwischenzeitlich eingegangen
sind. Auf diesem Weg kann erreicht werden, dass in den Spitzenzeiten das
Anrufaufkommens hinreichend viele Agenten verfügbar sind, diese aber auch dann
genutzt werden können, wenn das Anrufaufkommen zurückgeht.
Literatur
Helber, Stefan; Stolletz, Raik: Call Center Management
in der Praxis, Berlin et al. : Springer, 2004.
Helber, Stefan; Stolletz, Raik: Grundlagen und
Probleme der Personalbedarfsermittlung in Inbound-Call Centern. In: Zeitschrift
für Betriebswirtschaft (2004), Ergänzungsheft 1/2004, S. 67-88.
Autor
Prof. Dr. Stefan Helber, Leibniz Universität Hannover, Institut für Produktionswirtschaft, Königsworther Platz 1, 30165 Hannover
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