Die Informationssystem-Strategie ist ein Teil der
Informatikstrategie und zeigt an, wie das betriebliche
Informationssystem im Rahmen der Unternehmensstrategie positioniert
sein sollte (Alignment), welche Prozesse unterstützt werden und wie
die Informationssystem-Architektur aussehen soll. Die
Informationssystem-Strategie gibt an, wie von einer Ist-Architektur
eine Soll-Architektur erreicht werden soll und wie Ist- und
Soll-Architektur aussehen. Die Informationssystem-Strategie ist auf
einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren ausgerichtet. Umgesetzt wird
die Informationssystem-Architektur im Rahmen von Projekten. Die
Informationssystem-Architektur ist ein Teil der Informatikstrategie,
die auf sämtliche Aspekte der Nutzung der Potentiale der
Informations- und Kommunikationstechnik eingeht.
Die grundsätzliche Ausrichtung der
Informationssystem-Strategie hat sich in den letzten zehn Jahren
stark verändert. Historisch wurde sie als Instrument gesehen, um vor
allem die zukünftige Informationssystem-Landschaft eines
Unternehmens darzustellen. Sie war stark zukunftsorientiert und war
teilweise stark von den existierenden Anwendungen eines Unternehmens
entfernt. Heute gibt es aber in fast allen Unternehmen zahlreiche
Anwendungen. Wenn heute in einem Unternehmen eine
Informationssystem-Strategie erstellt wird ist die Dokumentation der
existierenden Systeme im Sinne einer Ist-Architektur die erste grosse
Herausforderung. Erst wenn die Ist-Architektur erarbeitet wurde,
insbesondere, welche Anwendungen, welche Prozesse unterstützen, kann
in einem nächsten Schritt die Soll-Architektur und der Weg vom Ist
zum Soll erarbeitet werden.
Die Informationssystem-Strategie wird in der Regel
ausgehend von einem Prozessmodell des Unternehmens oder einer
öffentlichen Verwaltung entwickelt. Dieses Prozessmodell muss nicht
so detailliert sein, dass – wie im Rahmen einer Reorganisation –
die einzelnen Arbeitsschritte ersichtlich sind, sondern es muss in
erster Linie dazu geeignet sein, einen guten Ueberblick zu geben. Die
existierenden Anwendungen werden den Prozessen zugeordnet, die sie
unterstützen. Wichtig ist, dass nicht nur die offiziell bekannten
Anwendungen dokumentiert werden, sondern auch die sogenannte graue
Informatik, d.h. die Anwendungen, die von den Fachbereichen ohne
Wissen der IT-Abteilung entwickelt wurden. Im nächsten Schritt wird
ausgehend von der Ist-Architektur die Soll-Architektur entwickelt.
Wiederum ist das Prozessmodell der Ausgangspunkt. In engen Kontakten
mit der Geschäftsleitung und dem Fachbereich muss abgeklärt werden,
wie die Prozesslandschaft in zwei bis vier Jahren aussehen soll.
Angesichts der grossen Dynamik der Wirtschaft und damit auch der
einzelnen Unternehmen ist dies eine schwere, in vielen Fällen
unlösbare Aufgabe. Trotzdem müssen vernünftige Annahmen getroffen
werden, wie die Prozesslandschaft in Zukunft aussehen soll. Ist die
zukünftige Prozesslandschaft modelliert, wird untersucht, welche
Anwendungen es braucht, um die Prozesse optimal ausführen zu können.
Dieser Schritt wird am besten mit Interviews, Workshops und Analysen
des Softwaremarktes sowie immer stärker durch Internetanalysen
durchgeführt. Ergebnis ist eine Soll-Informationssystem-Architektur.
Im nächsten Schritt wird die Differenz aus Ist- und Soll-Architektur
abgeleitet und die Vorhaben definiert die notwendig sind, um vom Ist-
zum Soll zu kommen. Im Rahmen des weiteren Vorgehens werden diese
Vorhaben mit den personellen und finanziellen Ressourcen sowie den
unternehmerischen Prioritäten und den laufenden Projekten
konfrontiert. Auf diese Weise entsteht ein Migrationsplan, der zeigt,
wie ein Unternehmen oder eine öffentliche Verwaltung von der Ist-
zur Soll-Architektur kommen kann.
Eine Informationssystem-Strategie, insbesondere das
Prozessmodell, die Ist- und die Soll-Architektur dürfen keine
Momentaufnahme sein, sondern müssen ständig nachgeführt werden.
Ein professionelles Informationsmanagement richtet einen Prozess ein,
der gewährleistet, dass mindestens einmal pro Jahr nachdokumentiert
wird und der gewährleistet, dass sämtliche Projekte so weit wie
irgendwie möglich auf der Basis der
Soll-Informationssystem-Architektur durchgeführt werden.
Die Praxis zeigt, dass zur Dokumentation der
Prozessmodelle, der Ist- und der Soll-Architektur
computerunterstützte Werkzeuge notwendig sind. Ohne diese
Hilfsmittel ist es in der Praxis unmöglich auch nur einigermassen
die ständigen Veränderungen der Prozesse, der Ist- und der
Soll-Architektur nach zu dokumentieren.
Die zentralen Herausforderungen im Rahmen der
Entwicklung einer Informationssystem-Strategie haben sich in den
letzten Jahren stark gewandelt. In den 70er und 80er Jahren wurde die
Informationssystem-Architektur sehr oft auf ein unternehmensweites
Datenmodell als Grundlage für die Eigenentwicklung reduziert. In den
90er Jahren und zu Beginn dieses Jahres bedeutet
Informationssystem-Strategie in vielen Unternehmen vor allem
Einführen von Standardlösungen, z.B. der SAP AG oder der Oracle AG.
Die Serviceorientierung und die mit ihr verbunden Heterogenisierung
der Informationsstem-Landschaft wird die Bedeutung von
Informationssystem-Architekturen und damit auch von
Informationssytsem-Strategien in den nächsten Jahren stark erhöhen.
Literatur
Brenner, Zarnekow, Pörtig: Entwicklungstendenzen im Informationsmanagement. In Österle, Winter (Hrsg.):Business Engineering, 2003.
Österle, Brenner und Hilbers: Unternehmensführung und Informationssystem: der Ansatz des St. Galler Informationssystem-Managements, 1991
Krcmar, Informationsmanagement, 1997, S. 284 ff.
Ward, Griffiths und Whitmore: Strategic planning for information systems, 1996.
Autor
Prof. Dr. Walter Brenner, Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftsinformatik, Müller-Friedberg-Strasse 8, CH-9000 St. Gallen
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